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Impuls zum 19. Mai 2024

Zum Pfingstsonntag

Von Odilo Metzler (Stuttgart), Mitglied im Bundesvorstand

Wind of Change

1. Lesung: Apg 2,1-11
Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt

2. Lesung: 1 Kor 12,3b-7.12-13
Jedem wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.

Evangelium: Joh 20, 19-23 Friede sei mit euch!
Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden
bei verschlossenen Türen beisammen waren,
kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.
Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch!
Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an
und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!
Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen;
denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.

Gedanken zum Evangelium 
Ich kenne viele Menschen, die sich fragen, ob es noch Hoffnung gibt angesichts der Kriege und der Zeitenwende zur Militarisierung, der Klimaerwärmung, der Schwächung der Demokratien und der wachsenden Schere zwischen Armen und obszön Reichen. Ist der Versuch einer Weltfriedensordnung von Abrüstung und Gewaltüberwindung, der Überwindung von Hunger und Ausbeutung gescheitert? 

Die Freundinnen und Freunde Jesu haben sich nach seinem Tod und seinem Scheitern aus Furcht zurückgezogen. Die Welt ihrer Hoffnungen lag in Scherben. Eines der frühesten Bilder von Jesus am Kreuz ist die Kritzelei eines römischen Soldaten über einen christlichen Kameraden: „Alexamenos betet einen Esel an.“ So ging es den Jüngerinnen und Jünger und auch viele Pazifisten in den letzten beiden Jahren: sich möglichst nicht dem Triumph und Spott der Gegner aussetzen. Die Freunde Jesu sind auch selbst gescheitert, davongelaufen und haben ihn und seinen Weg verleugnet.

Die Oster- und Pfingsterfahrung mit dem auferstandenen gewaltfreien Jesus veränderte alles für die Seinen. Im Johannesevangelium begegnet er ihnen am Ostermorgen, haucht ihnen den Geist ein. Er spricht ihnen den Frieden zu in ihre verstörten Seelen, vergibt ihnen, dass sie ihn aufgegeben haben. Sie hatten auch sich selbst aufgegeben und vor der Gewalt und dem Tod resigniert. Pfingsten, Frühling einer neuen Gemeinschaft über Grenzen der Angst und des Verstehens hinweg. Er gibt ihnen allen den Auftrag der Vergebung und Versöhnung („Sünden erlassen“).

„Der Geist des Herrn durchweht die Welt gewaltig und unbändig; wohin sein Feueratem fällt, wird Gottes Reich lebendig“, heißt es in einem bekannten Pfingstlied. Wo zeigt sich, dass Gottes Geist die Welt durchdringt und lebendig macht?

In diesem Jahr werden in unserem Land Hoffnungen erinnert und gefeiert: 75 Jahre Grundgesetz, 35 Jahre Friedliche Revolution in Deutschland, 175 Jahre Verfassung der Paulskirche. Bei den Umwälzungen in Europa vor 35 Jahren hat vieles zusammengespielt: der Mut von Bürgerrechtler/-innen, z.T. mit kirchlicher Unterstützung, politische Erneuerungsversuche, z.B. in Ungarn und in der Sowjetunion. Wie war es möglich, dass der Ruf „Keine Gewalt!“ im Herbst 1989 stärker war als Polizei und Militär des SED-Staates?

Dass die Umwälzungen gewaltlos verliefen, ist ohne den Friedensbeitrag der evangelischen Kirchen in der DDR und auch der Militärdienstverweigerer nicht zu erklären. Die DDR beanspruchte, ein Friedensstaat zu sein. Als sie der Friedfertigkeit der Menschen auf den Straßen nur noch die militärische Übermacht entgegensetzen konnte, brach dieser Anspruch zusammen, ein ideologischer Super-Gau. Von SED-Funktionär Horst Sindermann ist der hilflose Satz überliefert: „Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten. Sie haben uns wehrlos gemacht.“

In keinem anderen europäischen Land haben Kirchen nach 1945 ihr Glaubenszeugnis und ihren Dienst an der Gesellschaft so eng mit der Friedensfrage verknüpft wie in der DDR. An der Nahtstelle der militärischen Konfrontation im Kalten Krieg haben sie „Bausoldaten“ und ab 1965 auch Totalverweigerer des Wehrdienstes unterstützt und 1981 das Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ in der Friedensdekade geschaffen, das eine ungeahnte Wirkung erzielte. Junge Leute, die es am Jackenärmel trugen, wurden eingeschüchtert und erfuhren andererseits Aufmerksamkeit und Respekt. Der Erfindungsreichtum der kirchlichen Friedensbewegung war dem staatlichen Militarisierungsdruck überlegen. Sie mündeten im April 1989 in Dresden in die Ökumenische Versammlung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, die Wege für Veränderungen in der Gesellschaft formulierte, die dann im Herbst 1989 ihre Bewährungsprobe bestanden. 

Das Lied „wind of change“ der Hardrock-Band Scorpions vom September 1989 wurde zur Hymne der Öffnung Osteuropas und des Mauerfalls in Deutschland.

Darin heißt es: 
Eine Sommernacht im August, 
Soldaten gehen vorüber, sie hören dem Wind zu, 
dem Wind der Veränderung.
Die Welt wird kleiner, 
Und hättest du jemals gedacht, 
Dass wir uns mal so nah sein würden wie Brüder? 
Die Zukunft liegt in der Luft, ich kann sie überall spüren. 
Der Wind des Wandels weht direkt in das Gesicht der Zeit 
Wie ein Sturm, der die Friedensglocke läuten will. 
Nimm mich mit in den Zauber des Augenblicks einer herrlichen / glanzvollen Nacht, 
Wo die Kinder von morgen ihre Träume ausleben, 
im Wind der Veränderung.

Der Wind des Wandels, der Menschen aufstehen ließ und glauben, dass Freiheit möglich ist und Gewaltlosigkeit, war in meinem Verständnis göttlicher Geist. Die Geistkraft, die Menschen so glauben und handeln ließ, dass die Mauer fiel und die friedliche Revolution ohne Blutbad erfolgte.

Der Wind des Wandels, der die Welt durchweht, ist göttlicher Geist, der in die Machtlosen fährt, die sich mit ihrer Ohnmacht und mit ihrer Angst kämpfen, sich aus guten Gründen zurückziehen und Schutz suchen, wie die Christen in der DDR oder die Jünger in Jerusalem. Es ist der Geist, der sie herausführt über ihre Angst und den Übermächtigen zurufen lässt: keine Gewalt! Es kommt ein neuer Morgen. Der Wind der Veränderung ist der Geist des Christus, der unter seine Freunde tritt und ihnen zuruft: der Friede ist mit euch. 

Gebet
Auferstandener Christus, auch wir sind Verstörte, die dich immer wieder aufgeben, deinen Geist des Friedens. Auch wir finden uns immer wieder damit ab, dass Gewalt herrscht, das Recht des Stärkeren und dass Menschen unter die Räder kommen. Sprich auch uns deinen Frieden zu, deinen Geist, der uns hinaustreibt, um Gewalt, Spaltungen und Resignation vor der Gewalt zu überwinden. Schenke uns deinen Geist des Friedens, der uns hilft, Gerechtigkeit zu tun und zu versöhnen, dass unsere Gesellschaft und unsere Welt wieder zusammen finden.

Auferstandener Christus, auch als Kirche haben wir Angst vor dem Wandel, dem Geist, der Grenzen aufbricht zwischen Konfessionen und Religionen, der erstarrte Strukturen und verhärtete Beziehungen auflöst, die Spaltung zwischen Männern und Frauen, zwischen oben und unten.

Auferstandener Christus, gib uns Vertrauen und Liebe in der Begleitung dessen, was in der Kirche zum Sterben bestimmt ist und dessen, was neu entsteht, was wir noch nicht sehen.

Geist des Wandels, schenke uns Vertrauen, Kraft und Lust auf dein Kommen. Lass uns träumen vom Zauber des Frühlings. Lass uns träumen mit Menschen, die fern sind von uns, mit deinen Kindern in anderen Religionen.

Göttlicher Geist des Wandels, komm in unsere Welt und erfülle uns! 
Odilo Metzler

Komm, Heiliger Geist,
du Geist der Wahrheit, die uns frei macht.
Du Geist des Sturmes, der uns unruhig macht,
Du Geist des Mutes, der uns stark macht.
Du Geist des Feuers, das uns glaubhaft macht.
Komm, Heiliger Geist,
du Geist der Liebe, die uns einig macht.
Du Geist der Freude, die uns glücklich macht.
Du Geist des Friedens, der uns versöhnlich macht.
Du Geist der Hoffnung, die uns gütig macht.
Komm, Heiliger Geist!
Leonardo Boff

Guter Gott, höre unsere Stimme,
die um Frieden für unsere verwirrte Welt bittet.
Erleuchte unseren Verstand,
dass wir lernen, auf deine Weise Frieden zu stiften,
damit die getröstet werden,
die um der Gerechtigkeit willen leiden.
Sende deinen Heiligen Geist,
damit er uns auf den Weg des Friedens führe,
den du bereits begonnen hast. 
Öffne unsere Augen für die Zeichen deiner
Gegenwart in unserer erschöpften Welt.
Lehre uns in Harmonie mit dir,
unseren Mitmenschen und der Natur zu leben.
Wir sehnen uns so sehr nach einer friedlichen Welt:
in der Menschen in Würde alt werden können,
in der Eltern ihre Kinder in Liebe aufwachsen sehen,
in der die Jugend von ihrer Zukunft träumen kann,
in der Kinder eine glückliche Kindheit erleben können.
Guter Gott, stärke unseren Glauben an die Möglichkeit,
Frieden zu schaffen trotz aller Gewalt, die wir sehen.
Hilf unserem Bemühen um eine bessere Welt,
in der alle willkommen sind,
in der alle sich zum Festmahl versammeln,
in der alle in Freiheit verkünden können, dass Jesus der Erlöser ist.
Sr. Nazik KhaIid Matty, Irak

Ich glaube an den Heiligen Geist, 
Ich glaube, dass er meine Vorurteile abbauen kann. 
Ich glaube, dass er meine Gewohnheiten ändern kann. 
Ich glaube, dass er meine Gleichgültigkeit überwinden kann. 
Ich glaube, dass er mir Fantasie zur Liebe geben kann. 
Ich glaube, dass er mir Warnung vor dem Bösen geben kann. 
Ich glaube, dass er mir Mut für das Gute geben kann. 
Ich glaube, dass er mir Liebe zu Gottes Wort geben kann. 
Ich glaube, dass er mir Minderwertigkeitsgefühle nehmen kann. 
Ich glaube, dass er mir Kraft in meinem Leiden geben kann. 
Ich glaube, dass er mir Mitmenschen an die Seite geben kann. 
Ich glaube, dass er mein Wesen durchdringen kann. 
Karl Rahner